„Wie kannst Du nur in diesem Chaos leben?“ Eine Frage, die Florian oft zu hören bekommt. Denn in einem deutschen Haushalt hat Ordnung zu herrschen. Und nur wer strukturiert ist, ist erfolgreich. Das sieht Florian anders: Er liebt sein kreatives Chaos und fühlt sich pudelwohl.
Die Stifte gehören auf den Schreibtisch, die Rührschüsseln in den Schrank und die Bücher ins Regal. Am besten sortiert nach Alphabet, damit man sie auch schnell wieder findet. Besonders in Deutschland sind Ordnung und Struktur zwei wichtige Werte, die wir vermittelt bekommen. Wir sollen von klein auf Ordnung halten und immer wieder aufräumen und sortieren. So weit, so gut. In vielen Bereichen ist Ordnung bestimmt tatsächlich sinnvoll und hilfreich. Doch wir verbringen sehr viel Lebenszeit damit, immer wieder aufzuräumen und auszusortieren. Ist das wirklich immer notwendig? Warum darf nicht ein bisschen kreatives Chaos vorherrschen? Aufräumen und ordnen kostet uns nämlich sehr viel Zeit. Und es gibt sicher noch wichtigere Dinge im Leben: Spaß, Genuss, Freunde, Erholung, Kreativität und Freude.
Besonders kreativen Menschen fällt es häufig schwer, sehr strukturiert und ordentlich zu sein. Kreative Köpfe sind häufig mit sich, ihren Fantasien, Ideen und Visionen beschäftigt. Sie sind bei der Arbeit mit Leidenschaft dabei, stürzen sich auf ihr Projekt und sind so beim Kern ihrer Tätigkeit, dass sie ihr Umfeld kaum wahrnehmen. Wir alle kennen die Vorstellung eines Künstlers, der mit wilden Pinselstrichen auf ein Bild malt. Der Kopf hochrot. Die Farbe spritzt nur so im Raum herum und wild verteilt liegen leere Farbflaschen und Tücher um die Leinwand. Am Ende ist das Bild vollkommen und um den Künstler herum herrscht Chaos. So ist bestimmt manch Kunstwerk entstanden, das heute auf Auktionen hoch gehandelt wird. Wie kann man sich auch auf ein Bild konzentrieren und in den Flow finden, wenn man nebenbei alle Farbtropfen sofort aufwischt oder leere Flaschen aufräumt?
Ein kreatives Chaos bedeutet: Hier lebt Leidenschaft. Während viele Menschen Unordnung mit Faulheit oder Trägheit in Verbindung bringen, steckt viel häufiger Leidenschaft dahinter. Ein leidenschaftlicher Koch achtet auf seine Zutaten und den aktuellen Garzustand, während neben seinem Kochfeld das Chaos ausbricht. Ein leidenschaftlicher Autor schreibt im Flow stundenlang, während sich Bücher, Schmierzettel und abgebrochenen Bleistifte um ihn herum stapeln. Und ein leidenschaftlicher Kunsthandwerker füllt Kartons für seine Ausstellung, während Glassplitter, Schleifstaub und Klebereste seinen Arbeitstisch mehr und mehr verstecken. Faulheit ist das nicht. Sondern gelebte Leidenschaft.
Chaos ist also nicht gleich Chaos. Chaos kann viel mehr bedeuten. Chaos steht für Kreativität, Leidenschaft, Lebensfreude, Prioritäten, Herzlichkeit, Emotionalität und Gelassenheit. Und diese Werte sind genauer betrachtet mindestens genauso wichtig wie Ordnungssinn und Struktur.
Und Florian weiß das. Seine Antwort: „Das ist keine Unordnung. Hier wird nur kreativ gelebt.“